Vorträge

Sinnbild einer heilen Welt? Die Fussball-Karikatur 1930–1945, Tagung: Fußball im Nationalsozialismus, Kultur – Künste – Medien, Schwabenakademie Irsee, 17.-19. Februar 2006.

(…) Anhand ausgewählter Karikaturen möchte ich Ihnen zeigen, wie unterschiedlich das Fußballmotiv zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in den 20er Jahren und in der Zeit des Nationalsozialismus genutzt wurde. Bei meinen Recherchen habe ich mich im Wesentlichen auf folgende Satire- und Sportzeitschriften konzentriert: zuallererst auf die wichtigste deutsche Satirezeitschrift den „Simplicissimus“, dann auf die humoristisch-leichte Zeitschrift mit dem Titel „Die Lustigen Blätter“, die 1886 in Hamburg gegründet wurde und ab des darauf folgenden Jahres in Berlin erschien – sowie auf die Zeitschriften „Sporthumor“, „Illustrierter Sporthumor“, den „Kicker“ und darüber hinaus auf die auflagenstarken Berliner Tageszeitungen wie die „Berliner Illustrierte Zeitung“ und „BZ am Mittag“. Sportkarikaturen findet man bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in den berühmten französischen und englischen Satirezeitschriften „La Caricature“ (1839) und „Le Charivari“ (1832). Allerdings zunächst hauptsächlich Zweikampfmotive wie Fechten und Boxen. Im Londoner „Punch“, der 1841 gegründet wurde, taucht der Fußball als Motiv der Karikatur beispielsweise erstmals in den 1890er Jahren auf. Dass der englische „sport“ und damit natürlich auch das Fußballspiel anfangs von der deutschen Turnerschaft als „undeutsch“ abgelehnt wurden, ist den Sporthistorikern unter Ihnen nicht neu. (...)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben gesehen, dass spätestens seit der Jahrhundertwende das Fußballmotiv zur Darstellung gesellschaftlicher, politischer und kriegerischer Konflikte verwendet wurde. Dagegen blieben die Fußballkarikaturen im Nationalsozialismus in der erforschten Tagespresse, den Satire- und Sportzeitschriften auffallend unverfänglich. Ein Resultat, das der Zensur und der Gleichschaltung der Presse ab 1933 geschuldet ist. Der Fußball wird comicartig dargestellt, seine Helden werden gerade nicht zu Heroen stilisiert, sondern sie erscheinen geradezu liebenswürdig menschlich. Die Fußballkarikaturen aus den 30er und 40er Jahren sind insofern exemplarisch, als dass das Sujet in der Zeit des Nationalsozialismus keine politische Dimension aufweist. Es sind humoristische Zeichnungen, die gerade in ihrer Harmlosigkeit der Ablenkung der Bevölkerung und damit dem herrschenden System ebenso dienten wie der organisierte Fußball, der sich frühzeitig dem Regime anpasste. Die Fußballkarikaturen hatten offensichtlich eine ähnliche Funktion wie propagandistische Spielfilme im Dritten Reich: Insofern beschwören sie während der nationalsozialistischen Diktatur, vor allem im Zweiten Weltkrieg, die Idylle einer heilen Welt. Eben so wie es einer der beiden Wehrmachtssoldaten am unteren Bildrand formuliert: „Viel Wert war das Spiel ja nicht. Aber es war wieder einmal ein richtiger Sonntag.“ (Kicker, 5.11.1940, Nr. 45, letzte Seite „Ein französisches Fußballspiel…“)