Reden
Denise Richardt. Ideallandschaften – Malerei
Galerie im Prater, Kastanienallee 7-9, 10435 Berlin,
Eröffnungsrede, 15. Juni 2006.
Was ist Landschaft? Auf diese Frage wird jeder von uns eine Antwort finden. Jeder kennt Landschaft und jeder verbindet mit Landschaft Erlebnisse, Empfindungen und Gedanken. Landschaft ist eine Sichtweise von Natur. Sie ist kein materieller Gegenstand, sondern existiert nur im Blick des Betrachters. Der Blick auf die Landschaft ist durch Bewegung bedingt wandelbar. Landschaft ist unterschiedlich geprägt. Jede hat ihr eigenes Gesicht und jeder der hier Anwesenden trägt die Vorstellung seiner idealen Landschaft in sich. Ob wir Landschaft erleben, indem wir sie durchwandern oder sie beim Blick aus dem Fenster eines mit hoher Geschwindigkeit dahin gleitenden ICEs nur noch als Farbstreifen wahrnehmen, wir sehen immer nur einen Ausschnitt der Natur: das Bild einer Landschaft.
Ein solches Bild stellt Denise Richardt in einem ihrer faszinierenden Gemälde mit dem Titel Ein Ausschnitt (2005) dar: Wie ein „Bild im Bild“ hebt die Künstlerin hier durch eine feine Linie einen malerisch spannungsvollen Ausschnitt hervor. Wenn Sie nah an das Bild herantreten, sehen Sie, dass der Umriss wiederum die Farben seiner Umgebung reflektiert. Ein Bergrücken glüht teilweise wie in einer Abendstimmung in herrlichen Tönen von Orange bis Rosa. Der hellblaue Himmel mit grünlichen Reflexen bildet dazu einen ebenso starken Kontrast wie zu dem warmen, massiv wirkenden Grün im Vordergrund. Es verdichtet sich zu einer das Großformat beherrschenden hügeligen Landschaft. Gleich daneben ruft helles transparentes Grün Erinnerungen an lichte Täler hervor: Es gibt den Blick frei auf den dahinter liegenden Horizont.
Eine junge Künstlerin widmet sich einem traditionellen Motiv: einem Motiv, das gegenwärtig besonders in der figurativen Malerei als ein Modell „idyllischen Ausdrucks“ wiederentdeckt wird. Von diesem Trend ist Denise Richardt mit ihrer komplexen, abstrakten Malerei weit entfernt: Sie konzentriert sich seit Mitte der neunziger Jahre konsequent auf die Landschaftsmalerei; ihre Landschaften führen uns vor Augen, dass die Natur eine schier unerschöpfliche Vielfalt an Farben und Formen hervorbringt und dass in ihr universelle Kräfte wirken. (...)