Reden

Herzzerbrechlisch (sic!) rot-gelb-blau“. Ausstellung der kunsttherapeutischen Gruppe im Johannesstift in der „Alten Wäscherei“ auf dem Gelände des Evangelischen Johannesstifts Berlin, Vernissage, 31. März 2006.

Meine Damen und Herren, liebe Gäste! Wir haben hier in den Räumen der ehemaligen „Alten Wäscherei“ im Johannesstift die schöne Gelegenheit Kunst anzuschauen! Kunst von einem Künstler und sechs Künstlerinnen, die anders als die der zeitgenössischen Kunstszene, wirklich jung sind – nämlich zwischen 9 und 17 Jahren. (…) Schon der poetische Titel „Herzzerbrechlisch (sic!) rot-gelb-blau“ signalisiert, um was es den beiden Ausstellungsmacherinnen Haydee Freitas und Henriette Homoth geht, darum sich einzulassen auf Menschliches und Einzigartiges. In unserer Kultur gilt das Herz als Zentrum allen Seins: Das Herz ist Ort unserer Lebensenergie, unserer Gefühle und unserer Seele. Noch niemand hat die Seele je gesehen, aber jeder weiß, dass es sie gibt und jeder von uns hat schon erlebt, wie zerbrechlich Herz und Seele sind. Die Seele schlüpft in unseren Körper, wenn wir geboren werden, und sie verlässt uns nie, keine Sekunde solange wir leben. Es waren in besonderer Weise die Expressionisten und die französischen „Wilden“, die so genannten „Fauves“, die versuchten, seelisches zum Ausdruck zu bringen. Dabei verwendeten sie kräftige, leuchtende Farben und starke Farbkontraste; sie vereinfachten Formen auf das Wesentliche oder verzerrten diese. Eine solch expressionistische Malweise werden Sie auch in den hier ausgestellten Werken wieder finden.

Sie haben längst die hohen Säulen wahrgenommen. Die jungen Künstlerinnen und Künstler haben jeweils den Körperumriss des anderen auf das Papier gezeichnet. Danach hat jeder seinen Umriss nach ureigenen Vorstellungen, Träumen und Wünschen gestaltet. Die wichtigen menschlichen Fragen: wer bin ich? woher komme ich? und wohin gehe ich? bildeten den Ausgangspunkt für diese allesamt eindrucksvollen künstlerischen Arbeiten. (…) Meine Damen und Herren, Sie haben ab heute (für zwei Wochen) die Gelegenheit, sich von den Fähigkeiten und Begabungen, dieser jungen Menschen zu überzeugen und sich dabei zugleich ein Bild von der engagierten kunsttherapeutischen Tätigkeit von Haydee Freitas und Henriette Homoth zu machen: Einer Arbeit, die im wahrsten Sinne des Wortes, Raum für die Entwicklung junger Menschen bietet. Es ist ein geschützter Raum, in dem mithilfe der Kunst, also mit Farben und Formen zur Sprache kommen kann, was im Inneren verborgen ist. Dieser Raum bietet die Möglichkeit, sich der eigenen Persönlichkeit bewusst zu werden und sie durch künstlerisches Handeln zu entfalten: Hier kommen junge Menschen in Berührung mit ihren eigenen Gefühlen, Träumen, Sehnsüchten und Hoffnungen und bringen diese – wie die Ausstellung zeigt – auf phantasievolle Weise mit vielen verschiedenen künstlerischen Mitteln zum Ausdruck.

Der dänische Künstler und Kunsttheoretiker Asger Jorn (1914 – 1973) drückte das folgendermaßen aus: „Der Inhalt des Bildes spiegelt das wider, was im Maler steckt. Er enthüllt das, was er von sich selbst und von seiner Zeit erfassen kann, was er mit dem Geist und dem Herzen hat wahrnehmen können. Er enthüllt die Tiefe seiner Erfahrung.“ Kunst vermittelt demnach Erlebnisse und Empfindungen – dass heißt, wenn wir uns wirklich einlassen – können wir viel über die Lebenswelt und über das was die jungen Künstler und Künstlerinnen bewegt, erfahren. Wir begegnen faszinierenden Tänzerinnen, Göttinnen, Prinzessinnen aus 1000 und einer Nacht, verzauberten Prinzen, Paradiesvögeln, Wölfen, Katzen, Hexen und zauberhaften Schutzengeln. Ich wünsche uns allen viel Freude!